Katholische Kirche Hl. Familie und Hl. Stephanus zu Wehrden

Zur Geschichte der Pfarrei

Die Geschichte der Pfarrei wurde wesentlich durch die Ereignisse der Reformation und durch ihre Grundherren – Edelherren von Amelunxen, später: Freiherren von Wolff-Metternich zur Gracht – geprägt. Aus der Zeit vor der Reformation gibt es nur wenige Quellen zur Kirchengeschichte, sodass keine ausreichenden Erkenntnisse darüber vorliegen, ob in Wehrden eine eigenständige Pfarrei existierte und von wem sie gegründet wurde. Da die Edelherren von Amelunxen sehr früh zur Lehre Luthers übertraten, mussten auch deren Untertanen den neuen Glauben annehmen. Um 1590 waren alle Einwohner evangelisch geworden, wie aus einer Bittschrift an Abt Dietrich von Corvey hervorgeht. Alle Versuche des Landesherrn, die Einwohner wieder zum katholischen Glauben zurückzuholen, waren zunächst erfolglos. Erst nach dem  Dreißigjährigen Krieg änderte sich dieses, nachdem der Paderborner Fürstbischof 1649 anordnete, dass die kaiserlichen Exekutions-Edikte des Friedensvertrages (Westfälischer Frieden) im Corveyer Land angewendet werden müssen. Danach mussten alle Landesherren beide Konfessionen dulden, falls diese bereits 1624 auf ihrem Territorium existierten. Bei einer Befragung durch besondere Kommissare entschied sich daraufhin die überwiegende Mehrheit der Wehrdener Bevölkerung gegen den Willen ihrer Herrschaft für den katholischen Glauben. Im März 1651 wurde zwischen Corvey und Schweder Luther von Amelunxen ein Vergleich geschlossen, mit dem beide Glaubensrichtungen in Amelunxen, Wehrden, Drenke und  Blankenau geduldet werden mussten. Die Wehrdener Kirche wurde damit den katholischen Gläubigen als Pfarrkirche und die Kirche in Amelunxen  den evangelischen Christen zugesprochen.
Im Jahre 1695 erwarb der Paderborner Fürstbischof Hermann Werner von Wolff-Metternich zur Gracht (16. August 1625 bis 21. Mai 1704) die ehemaligen Besitzungen der Familie von Amelunxen und errichtete 1696 für seine Familie ein Fideikommiss aus den Wehrdener Gütern. Zudem gründete er 1701 die Kaplanei Wehrden und stiftete 1400 Thaler für den Unterhalt des Kaplans sowie 900 Thaler für die laufenden Kosten des Kirchenbetriebes und die Instandhaltung des Kirchengebäudes. Die Verwaltung des Stiftungskapitals oblag dem jeweiligen Fideikommissbesitzer des Hauses Wehrden, der ebenso für die Berufung und Entlassung der Geistlichen sowie deren Kost und Wohnung aus dem Stiftungsvermögen zu sorgen hatte. Die Kaplanei wurde der Pfarrei Amelunxen unterstellt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es wegen unterschiedlicher Auffassungen über den Inhalt und die Bedeutung der Stiftungsbestimmungen mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen der Familie von Wolff-Metternich, den Paderborner Bischöfen und der Kirchengemeinde. Der Streit wurde 1932 mit einem Vergleichsvertrag beigelegt. Stiftung und Patronat der Freiherren von Wolff-Metternich wurden aufgelöst und es entstand eine selbstständige Pfarrvikarie. Im Ort taten nun bis zum Jahr 1997 eigenständige Gemeindepfarrer ihren geistlichen Dienst, zuletzt Norbert Waller, der 1997 in den Ruhestand ging. Bis 2003 wurde Wehrden durch den Pfarrer von Amelunxen betreut.

Das Kirchengebäude

Das Kirchengebäude

Nach der Übernahme seiner Besitzungen in Wehrden ließ Herrmann Werner von Wolff-Metternich ab 1696 durch seinen Baumeister Bruder Ambrosius von Oelde das heutige Schloss und die Kirche im Barockstil  errichten. Dazu wurden die vorhandenen baufälligen Gebäude bis auf die Grundmauern abgerissen und an gleicher Stelle neue gebaut.
Die Kirche ist ein dreijochiger Saalbau mit einem Fünfachtel-Chorschluss im Osten. Die Fenster sind in Grisaillemalerei mit den Wappen von Mitgliedern der fürstbischöflichen Familie verziert. Sie ist mit zwei schönen barocken Säulenportalen (im Norden und im Süden) geschmückt, auf denen das fürstbischöfliche Wappen und Inschriften, die sich auf die Erbauung der Kirche beziehen, angebracht sind. Die Kirche wurde wie das Schloss im Jahre 1699 fertiggestellt. Der Westbau mit seinem eingezogenen Turm sowie die westliche Pfeilerhalle im Inneren bieten eine reich gegliederte Architektur und aufgrund desselben Baumeisters sind natürlich Parallelen zwischen Schloss und Kirche unverkennbar.
Die Leistung des Baumeisters  Ambrosius von Oelde zeigt sich vornehmlich in der Fassaden- und Portalarchitektur, denn der Innenraum der Kirche ist doch recht schlicht: lediglich ein einfacher rechteckiger Saal unter einem wuchtig wirkenden Kreuzgewölbe mit Graten und Schlusssteinen. 1853 wurde von der Familie Wolff-Metternich neben der Kirche auf der Nordseite ein kleiner Familienfriedhof angelegt.
Im Schloss selbst existiert eine kleine Hauskapelle, die jedoch in der Regel nicht öffentlich zugänglich ist.
In den Jahren 1969 und 2003-2005 wurde die Kirche innen und außen mit einem großen Anteil an Eigenleistungen durch Mitglieder der Kirchengemeinde umfassend renoviert. Im Jahr 1997 erhielt die Kirche eine neue Orgel.
Inschriften Portal Südseite
FAMILIAE SACRAE
JESU, MARIAE, JOSEPHO, ANNAE, JOACHIMO,

H-W-D-G-E-P-S-R-I-P-C-P-P-H-L-B-W-M
Bedeutung:
Hermannus Wernerus Dei Gratia Episcopus Sancti Romani Imperii Princeps Cum Patrono Primario Hermanno Libero Barono Wolff-Metternich
Deutsch: Hermann Werner, von Gottes Gnaden Paderborner Bischof, des heiligen römischen Reiches Fürst, mit dem adeligen Patron Hermann, Freiherr Wolff-Metternich

Darunter das Chronogramm:
HIC QVICVnqVe pIete ChrIste
PreCant Vr In AEDe AspICe: Dona
LIbens sVsCIpe, Vota IVVa

Deutsch: Schau guter Christus, auf alle, die hier im Tempel dich anrufen, nimm gnädig an ihre Gaben und erfülle ihre Bitten. Der Zahlenwert des Chronogramms ergibt das Jahr 1699.

Inschrift Portal Nordseite
FAMILIAE SACRAE
JESU, MARIAE, JOSEPHO, ANNAE, JOACHIMO,

H-W-D-G-E-P-S-R-I-P-P-H-L-B-W-M
Bedeutung:
Hermannus Wernerus Dei Gratia Episcopus Sancti Romani Imperii Princeps Cum Patrono Primario Hermanno Libero Barono Wolff-Metternich
Deutsch: Hermann Werner, von Gottes Gnaden Paderborner Bischof, des heiligen römischen Reiches Fürst, mit dem adeligen Patron Hermann, Freiherr Wolff-Metternich

Darunter das Chronogramm:
QVasae DesposVI Vestro DeVotVs honorI
RespICe et eXoLto DIVe tVere parens

Deutsch: Was ich als gehorsamer Diener zu deiner Ehre und Verherrlichung niedergelegt habe, du, o Göttlicher, beachte und schütze es. Der Zahlenwert des Chronogramms ergibt das Jahr 1699.

Die Innenausstattung der Kirche

Die Innenraumgestaltung der Kirche ist nahezu identisch mit dem Innern der Kapuzinerkirche in Paderborn, und auch die Kirche in Schloß Neuhaus mag Anregungen gegeben haben. Im nördlichen Chorpolygon schließt eine kleine Kapelle an, ein privates Oratorium des Fürstbischofs und der freiherrlichen Familie, die durch eine große Wandöffnung den Blick auf den Hochaltar freigibt. Der Hochaltar stammt vom „Meister der Spiralsäule“, dem Paderborner Bildhauer Heinrich Gröne, ebenso die Kanzel.
Der prächtige Barockaltar hebt sich allerdings deutlich von dem schlichten Kirchenbau ab. Umgeben von geschnitzten Säulen, mit Wappen, Gemälden und Figuren, liefert er ein deutliches Beispiel für das barocke Formenspiel, das eine Vorliebe für Kurven und Krümmungen hatte.
Das kostbare Altarbild stammt vermutlich von Johann Georg Rudolphi und stellt die „Heilige Familie“ dar – ein Thema, das sich aus dem Motiv der „Flucht nach Ägypten“ entwickelte und vor allem bis etwa zum 17. Jh. ein beliebtes Sujet gewesen ist. Über dem Bild tragen zwei Putten das Wappen des Stifters. An der Nordwand des Innenraums hängen zwei bemerkenswerte Gemälde: „Die Hochzeit zu Kanaa“ und „Die Anbetung der Hl. Drei Könige“. Sie sind ein Geschenk der freiherrlichen Familie von Wolff-Metternich.
(Gerd Rother, OHP Wehrden)